

Es ist etwas passiert mit dem Bildungsbürger: War er aus Gewohnheit einer oftmals selbst erklärten Filterblase geistiger Elite nicht gebildet genug und von ihr mit dem abwertenden Prädikat des Bildungsbürgers verunglimpft, ist er seit geraumer Zeit auch jenen zu dumm, die es nicht einmal ansatzweise in ihren Bildungsstand schaffen. Besitzt der Bildungsbürger für die Hochgeistigkeit einfach nicht Bildung genug, besitzt er für die Ungebildeten einfach zu viel an Nutzlosem – was ihn letztlich überflüssig machen soll, da Bildung weder nötig, noch erstrebenswert, noch respektabel ist. Ein Vorwand, der den eigenen Mängel an Wissen und Bildung kaschieren soll.
Der Bildungsbürger als solcher ist bereits schon soweit, dass er sich selbst nicht mehr als solcher bezeichnen würde, weil er das Dauerfeuer von zwei Seiten nicht mehr abwehren kann oder will. Er muss sich nicht nur ständig Kommentare und Fragen nach seinem Stand, seiner Bedeutung und seiner nicht vorhanden Wichtigkeit gefallen lassen, er fragt sich mittlerweile selbst: Schadet diese Bildung eigentlich, und wäre ich nicht besser dran, wenn
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Kalender zu führen ist ja so einfach. Immerhin hat jedes Smartphone die passende App gleich als Standard installiert. Dem heutigen Menschen ist offenbar in die technische DNS geprägt, als Basisdisziplin des Lebens alle Termine verfügbar und – wohl noch wichtiger – jederzeit eintragen und verschieben zu können.Mir ist das zu beiläufig. Wie geschnappter Atem werden da Wochen zerhackt und Wochenenden verplant, einfach weil es so einfach eingetragen ist. Es ging nicht um Lust und Vergnügen an der Sache, sondern lediglich um den nächsten freien Termin; und mein Privatleben bestand fortan nicht mehr aus Verabredungen und Vorhaben, sondern nur noch aus Time Slots und Einträgen – und ich sah mich oft mit Dingen konfrontiert, die ich letztlich gar nicht wollte. Weil ich keine Zeit hatte, sie zu bedenken, bevor ich angesichts der Einfachheit des Eintragens meine Lebenszeit verschleuderte. Denn was in all den Kalenderapps immer fehlte, war das, was keine App mir geben kann: Die Zeit für mich – es sei denn,
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Nun, da endlich Sommer ist und mit Ende Mai tatsächlich noch zu früh, endet das Lamento, das seit April den Alltag prägte, dass nämlich immer noch kein Sommer sei. Die letzten Jahre brachten mit all der Hitze, Dürre, Sturm und Platzregen nur eine Apokalypse, nämlich dass die Welt stets untergeht, wenn gerade heute einmal kein Sommer ist. Das Hoffen, der Klimawandel könne bitte ausbleiben oder wenigstens kleiner ausfallen als befürchtet, hat angesichts des Hoffens aller auf noch mehr Hitze, möglichst schon von März, April an und bitte unterbrechungsfrei, keine Chance.
Da ist es nun Ende Mai und plötzlich 25 Grad warm, und alles jammert über all die vergangenen Tage, an denen es nicht auch schon so warm oder wärmer gewesen ist. Erstaunlich, das Ganze. Einhergehen wird der nun so plötzlich, heftig – und eigentlich immer noch zu früh – hereingebrochene Sommer statt dem Glück über seinen ersehnten Anfang mit zwei ganz anderes Dingen: Dem Jammern darüber, dass dass es nicht 40 Grad ist, und das Jammern bei jedem Tröpfchen, jedem Wölkchen, jedem Lüftchen, das ab abends bald die Hitze aus den Ecken wirbelt. Denn dann werden bei
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Warum es mich seit 2006 fast jedes Jahr zur Berlinale zieht, obwohl ich sie stets zu anstrengend finde? Weil sie für mich eine Inspirationsquelle sondergleichen für mein eigenes Schreiben ist. WWW.oliverkoch.net
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Es ist ein besonderes Gefühl, sich einmal mit seinen diversen digitalen Accounts zu befassen und sich zu fragen: Welche Daten von mir und über mich liegen wo und wozu eigentlich herum? Da kommt es zu interessanten Überlegungen:Wir kämen nie auf die Idee, in jedem stationären Ladengeschäft schon beim Betreten oder bei der Mitnahme eines Flyers eine Visitenkarte abzugeben, auf der zudem Zahlungsarten und Zutrittsdaten stehen, geschweige denn kommen wir auf die Idee, diese bereitwillig auch in der Innenstadt zu verteilen. Wir sagen niemandem, in welchem Laden ich schon vorher war und in welche ich gleich noch gehen will. Wir legen weder Ausdrucke von persönlichen Fotos auf Bartresen oder an Supermarktkassen, spielen keinem Berater in einem Bekleidungsgeschäft unser neuestes Urlaubsvideo vor und zeigen auch keinem Fremden, was auf der Party am Wochenende nach der dritten Runde alles so gelaufen ist. Und wer unsere Familie und Freunde sind, wissen die netten Leute in der Bäckerei auch nicht.Geht ja niemanden etwas an.
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Kürzlich schrieb ich über meine neue SF-Story Der Gärtner von Eden und Lächeln anlässlich der Lesung „Future Monday“ zum Thema „Wir wissen, was du machst! Datenkraken & Sammelwut“ im Karlsruher KOHI.Als ich mich erstmals mit dem Thema für eigene Geschichten befasste, machte ich die erstaunliche Entdeckung, dass sich Datenschutz und Datenmissbrauch noch besser für Dystopien eignen als die Angst vor Atomschlägen in Zeiten des Kalten Krieges – das sagte ich auch während meiner Lesung zu dem Publikum. Zwar stand Der Gärtner von Eden sofort für mich fest, aber die Flut an möglichen Geschichten, die mir möglich und geeignet erschienen, geschrieben zu
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Das tut mir aber leid/Wir entschuldigen uns/Kommt nicht wieder vor – Was aussieht wie ein sich verbreitender Hang zur Höflichkeit und Demut ist vielmehr Indikator für die Unsitte, sich zunächst zu viel erlaubt zu haben. Die Entschuldigung für Vergehen ist dabei kein Zeichen von Demut, sondern eine Reaktion auf den öffentlichen Druck, den man sich durch diese Geste offensiv zu nehmen versucht. Ein Ziehen aus einer Affäre, bei der man erwischt worden ist. Das entwertet den wahren Wert einer Entschuldigung und damit eine sittliche Veranlagung, die selbstverständlich sein sollte. Auf den Stand eines bloßen Tricks degradiert, vergeht niciht nur das
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Gleich nebenan ist sie: Die bessere Welt. In der Milch und Honig fließen, in der alles besser ist, in der das glückliche Leben auf uns wartet – Physiker halten Paralleldimensionen für möglich, auch wenn hier der wissenschaftliche Beweis fehlt. Wenn er denn je kommt. Oder sich das Ganze nur als Hirngespinst herausstellt. Paralleldimensionen, unendliche von ihnen heißt: Unsere Realität immer leicht abgewandelt. Man könnte hineintreten und auswählen, welche einem lieber ist. Eine Realität, in der es 9/11 nicht gab und damit den darauf eingeschlagenen Lauf der Weltgeschichte nicht. Eine Realität, in der wir einen beruflichen Weg nicht verlassen, sondern weiterverfolgt
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Ich hatte einen Traum. Er war nicht schön. Ich verlor darin das Augenlicht, ich sah mich selbst mit geschlossenen Augen, dabei sind blinde Augen geöffnet. Ich sah nichts, orientierte mich nicht. Meine Hände waren nach vorn ausgestreckt. Wie ein Zombie tastete ich mich vor, langsam, unsicher, allem beraubt. Es war so grässlich, als sei mein Leben mit dem Ende des Augenlichts zu Ende. Oder, wieder bildhaft, als erlösche mein Leben mit dem Erlöschen des Augenlichts. Wie ist das ohne Augenlicht? Die Welt, sie ist noch da, in all ihren Formen und Farben, aber sie verbirgt sich hinter Blindheit. Und man
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In Not und höchstem Übel kommt die Frage plötzlich: Wer bin ich? Was bin ich? Wenn die Frage kommt, weiß ich, dass ich vom Weg abgekommen bin. Dann wacht man auf und fragt sich, wie es nur geschehen konnte, dieses Abkommen vom Weg. Als sei erst das Abkommen und Verlieren der Akt der Erkenntnis seiner selbst und seiner Wünsche. Und man fragt sich, ob man in letzter Zeit außer Besinnung und Kontrolle war und dann, wie und warum das hat geschehen können. Immerhin: Kommt die Frage nach dem, wer und was man sei, ist damit ein Aufwachen verbunden, ein Erkennen
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Als ich neulich in die Wolken blickte, geschah es: Ich hielt sie an. Nicht alle, sondern eine. Ich brachte sie dazu, einfach stehenzubleiben. Wie weit sie von mir entfernt war, kann ich nicht sagen, es war ein großartiger Sommertag, und weiße Wolken schoben sich wie Gebirge über mich hinweg. Auf eine fixierte ich mich – oder ich hatte vielmehr das Gefühl, dass sie sich mich aussuchte, um von mir fixiert zu werden, soll heißen, im Prinzip fixierte sie mich – und brachte sie, während ich sie anblickte, zum Stillstand, während alles andere und auch alle Wolken um sie her weiterzogen.
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Viel steckt in den Fugen. 30 Jahre meines Lebens haben sie gesehen, und man sieht es ihnen an. In ihnen steckte viel, über sie ging ich längst, als ich noch jugendlich war und voller Ideen und Träume. Außer den Fugen ist nichts davon geblieben. Wir sind gemeinsam alt geworden. Wer hätte das gedacht, als ich sie zum ersten Mal sah. Hineingelugt hab ich in das Badezimmer ohne Licht, noch unbezogen von uns, von mir und unseren Leben. Da war es neu, unbenutzt, und ich war ihm herzlich egal wie es mir. Ich wusste nur: Ich wollte hier nicht hin. Nicht
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Ja, ich liebe es, in den Buchladen zu gehen. Ich sage bewusst „in den“ und meine es stellvertretend für alle Buchläden. Ich möchte dabei gar nicht damit anfangen, über den Geruch von Papier und all diesem für mich eher esoterisch aufgeheizten Getöse zu reden, auch wenn ich den Geruch von Papier in Buchhandlungen durchaus schätze. Es geht mir auch weniger um die Beratung, die ich dort erhalte, da ich in den wenigsten Fällen auf Beratung angewiesen bin und sie beim Stöbern meist auch ausdrücklich nicht wünsche. Meines Erachtens gehört das Buch in ein Geschäft. In einen eigens dafür angelegten und
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Stephen King hat es schon wieder getan: Er hat öffentlich gesagt, wie missraten er mit der Verfilmung seines Romans The Shining von Regie-Großmeister Stanley Kubrick ist. Dass King den Film regelrecht hasst, ist längst bekannt. Diesmal hat er sich im Interview mit Deadline genauer geäußert. Die Äußerungen geben mit Anlass, selbst etwas zur Verfilmung von Kubrick zu sagen: Auch Genies haben schlechte Tage. Und Regisseure ihre schlechten Filme, die dann als das Pendant der schlechten Tage gelten. Auch bei Genies wie Kubrick ist das nicht anders. Natürlich heißt es im Rückblick, alles, was Kubrick gedreht hat, sei ein Meisterwerk, aber
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Als vor 22 Jahren die Dinosaurier erstmals realistisch auf der Kinoleinwand zu sehen waren, sprach jeder von Steven Spielbergs Meisterwerk Jurassic Park. Heute sieht zwar scheinbar jeder Jurassic World, mit dem die Reihe nun nach vielen Jahren recht solide weitererzählt wird – doch ich vermisse etwas. Ja, wir staunten alle mit offenen Mündern im Kino, damals 1993. Da war von Spielbergs neuem Film schon weit im Vorfeld die Rede, weil man von einer digitalen Innovation sprach, die Effekte erschaffen sollten, wie man sie bis dato noch nicht gesehen hatte. Schon zwei Jahre zuvor hatten wir mit Terminator 2 eine Trickeffekt-Fahrt
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Das Wort macht keinen Spaß: Homo-Ehe. Es zeigt in kürzester Weise, dass nicht alles gleich ist. Denn wenn eine Ehe nun zwischen Hetero- oder Homosexuellen geschlossen wird, sollte sie einfach „Ehe“ heißen. Begrifflich und inhaltlich unterschiedslos – schließlich tendieren Unterschiede in diesem Zusammenhang zur Wertung. Solange eine Ehe unter Homosexuellen nur mit dem Zusatz „Homo-“ auskommt, ist sie nichts weiter als eine Variation einer Norm, die woanders liegt. Glücklich sollte man damit also keinesfalls sein; auch nicht, wenn das Karlsruher Bundesverfassungsgericht urteilte, dass die Ungleichbehandlung zwischen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften verfassungswidrig ist. Und auch nicht, obwohl nun in den USA
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Es ist nie zu spät, um sich über seine Handschrift zu sorgen. Oder gleich ihren Verlust zu betrauern. Was nach Jahren Schule, Uni und Beruf von meiner Handschrift übrig blieb, ist meist beklagenswert. Das „schnelle Mitschreiben“, oft mit Kugelschreibern, machte sie zu dem, was sie heute ist: Ein Rudiment aus unleserlichem Gekritzel, das jeden Graphologen meine psychiatrische Einweisung empfehlen lassen würde. Vor allem ist sie hässlich. Schade eigentlich. Und nun? Gäbe es noch Schulnoten für Schönschrift wie in der Grundschule, so hätte ich ein Problem: Als Klassenletzter wäre ich bedauernswertes Schlusslicht mit satter 6. Dabei war das früher anders. Und
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An manchen Tagen gehen Legenden von uns. Legenden deshalb, weil sie für etwas stehen. Legenden aber auch, weil sie so lange unter uns waren. Durch die Vielzahl der Jahre sind sie ganze Menschenalter einfach da. Tauchen immer wieder auf, gealtert, gereift, aber sicher anwesend. Leonard Nimoy alias Mr. Spock war so eine Legende. Er stellte in der TV-Serie Star Trek (auf Deutsch Raumschiff Enterprise) und 8 Kinofilmen den Vulkanier dar, der mit seinem Hang zur Logik, seiner hochgezogenen Augenbraue sowie dem legendären „Faszinierend“ Generationen begleitete. Mit 83 Jahren ist er nun verstorben – beinahe 50 Jahre davon war er eine
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