Dass ich lange Zeit mit meinem neuen Roman nicht vorwärts kam, lag an der Chronologie der Ereignisse. Das bereits in Teil 1 hinreichend besprochene „Besondere“ des Settings wollte ich stets chronologisch ausrollen. Sprich: Mit einem personalen Erzähler durch die Augen des Protagonisten, der staunend durch das Geschehen tappt und erst nach und nach das Ausmaß seiner Lage erlebt, erkennt, versteht. Das tragfähige Element war dabei immer das Setting an sich.

Das Problem jedoch liegt auf der Hand: Will der Leser Seiten über Seiten vor sich haben, wie sich ein Mensch umsieht und sich dabei Gedanken macht?

Eben.

Das machte nicht einmal als Schreibender richtige Freude. Da fehlt neben Spannung vor allem die Dynamik. Man kann sich kaum in die Hauptfigur hineinversetzen, weil man sie nicht kennt, doch warum sollte man ihr also überhaupt folgen? 

Ich gestehe, zwei Fehler gemacht zu haben: Zunächst einen Fehler und dann den Fehler, den ersten nicht überwunden zu haben. 

Dies war das „Klick“, das ich beim Konzert von Nils Frahm hatte, das von dem ich im 1. Teil berichtete: Die ausweglose Lage wird viel besser begreiflich, wenn der Roman viel später ansetzt, wenn bereits viele Dinge passiert sind. Der Protagonist ist entsetzt darüber, was aus ihm geworden ist, er sucht in seiner besonderen Lage ein Gegenüber, dem er sich anvertrauen kann. Er will seine Taten bekennen und bereuen, sich allerdings auch rechtfertigen. 

Anstatt dass der Leser den Protagonisten Schritt für Schritt in den Konflikt hineinbegleitet, wird er in dessen Konflikte gleich zu Beginn hineingeschleudert.

Anstatt den Leser lange auf die Folter zu spannen, was denn dort alles noch geschehen mag, fragt er sich schon auf der ersten Seite: Was hat er denn überhaupt getan? Was ist denn so schlimm? Was ist denn seine besondere Lage, durch die er sich so verändert hat?

Nun ist die Idee eines Protagonisten, der an einem Schreibtisch sitzt und über seine Sünden berichtet, nicht neu – und verführt zur nächsten Gefahr: Der unendlichen Selbstbespiegelung eines Protagonisten.

Um das zu vermeiden, gibt es gleich zu Beginn eine zweite Zeit- und Handlungsebene, nämlich die des ursprünglich geplanten chronologischen Erzählens der Geschichte. Ich lasse beide Stränge parallel laufen und bekomme endlich genau das in die Geschichte hinein, die ich die ganze Zeit so schmerzlich vermisst habe: Dynamik. Ich habe einen personalen Erzähler, der in der Er-Form durch die Augen des Protagonisten erzählt, und einen Ich-Erzähler, der die Hauptfigur zu Wort kommen lässt – der eine weiß noch nicht, was auf ihn zukommt, der andere reflektiert bereits Vergangenes. 

Für den Leser ergeben sich damit zwei Sichten, und obwohl er beiden Erzählern in seinem Kenntnisstand überlegen ist, kann er mit den beiden Erzählern mitbangen.

Beim Schreiben funktioniert das erstaunlich gut, ich bin sehr zufrieden. So kann es gerne weitergehen.